CHOPINIADE
V
Wenn keiner mehr das Wasser reicht,
Dehnt sich die Welt ins kosmisch Kalte.
Mich trügt, nicht trägt, was ich behalte,
Mich gebend, gibt es mich vielleicht…
Allein Barmherzigkeit erweicht
Des Lebens Härten. In der Mantelfalte
Hundköpfigen Christophorus‘ das alte
Kind, das er trägt und dem er gleicht.
Wir falln zugrunde, wenn wir höher steigen
Als unsre Leiter Stufen hat.
Mich wirbelte ein Sturm aus Zweigen,
Mich riß ein Wind vom Baum. Ein Blatt
Bin ich, vergilbend zwischen Seiten
Der Chroniken vergilbter Zeiten.
6. -7. Juni 1988
CHOPINIADE
VI
Der Chroniken vergilbter Zeiten
Geheimes ist ihr Offenbaren,
Daß wir sind wie die vor uns waren:
Nicht besser, schlechter. Immer streiten
Die schmalen Rigorosen mit den breiten
Massen des Volkes um ihren klaren
Verstand von Menschlichkeit und fahren
Mit ihnen Schlitten auf den weiten
Alpinen Höhn erhöhten Meinens.
Von fern das Echo eines Weinens…
Aus größter Nähe das bekannte
Entrevolutionierende Andante.
Mozart, Chopin, Schubert entsenden
Vierhändiges zu je zwei Händen.
7. Juni 1988