CHOPINIADE
I
Die Flügel grüßen dich, die Schwalbenschwänze
Der Herrn im Grand-Hotel! Chopin spielt vor…
Wir spielen nach, sind Auge, Ohr
Verspielt, verloren schon zur Gänze.
Die perlende Präsenz verklungner Tänze.
Tiefinnen öffnet sich das Tor,
Zu dem der Schlüssel sich verlor.
Tonstufenleitern an dem Mauerwerk der Grenze.
Nichtsein und Sein zugleich: das Bleiben.
Erwachtest du nicht felsversteint im Chor?
Entschriebest du nicht dich im Schreiben?
Nichts nach uns als das nämliche zuvor.
Nichts vor uns als die immergleichen
Unendlich endlich variierten Zeichen.
23. – 24. Oktober 1986
CHOPINIADE
II
Unendlich endlich variierten Zeichen
Vertrauen, heißt: am Ende sein.
(Das Steinerne ist nicht der Stein,
Und meines meint nicht meinesgleichen.)
Die Armut reflektiert den Glanz der Reichen.
(Was weiß der Schlächter von dem Schwein?
Spezialisiert auf Innereien,
Trennt er das Harte von dem Weichen,
Das Magere vom Fetten!) Weiße Sehnen
Signalisieren dir und mir: Das, bitte, nicht!
Das Sehnen? Ja. Allein den Zähnen
Ist das Ersehnte, was sie bricht.
Letztes von Goethe, dies: „Mer licht
Nischt mehr am Läbn…” (Großes Gähnen.)
27. Mai 1988